Die folgende wirtschafspolitische Satire von Martin Kapp entnahm ich im August 1988 der Basler Zeitung:
Die OPEC-Länder steigern ihre Produktion
- der Benzinpreis steigt.
Dies ist auf grundlegende ökonomische Gesetze unserer Marktwirtschaft zurückzuführen:
Die gestiegene Nachfrage nach Tankerkapazität verteuert die Frachtraten überproportional.
Die OPEC-Länder drosseln ihre Produktion
- der Benzinpreis steigt.
Das ist ökonomisch bedingt: Das Angebot sinkt bei gleichbleibender Nachfrage,
damit wird die Ware teurer.
Im Nahen Osten herrscht vorrübergehend Waffenruhe
- der Benzinpreis steigt.
Die Ruhe ist trügerisch, die Lager werden vorsorglich aufgefüllt. Die zusätzliche
Nachfrage erhöht den Marktpreis.
Im Nahen Osten wird gekämpft
- der Benzinpreis steigt.
Hamsterkäufe erhöhen die Nachfrage und damit den Marktpreis.
Die Verbraucher sparen
- der Benzinpreis steigt.
Der Minderverbrauch sorgt dafür, dass die Raffinerien weit unterhalb ihrer
Kapazität produzieren müssen. Dies erhöht den Einheitspreis (Kosten pro Liter),
den in einer Marktwirtschaft die Konsumenten zu tragen haben.
Die Verbraucher sparen nicht
- der Benzinpreis steigt.
Die Ölgesellschaften erfüllen eine lebenswichtige Funktion in der Martkwirtschaft:
Durch Preiserhöhungen wirken sie einer noch größeren Abhängigkeit vom Erdöl
entgegen.
Die Verbraucher weichen auf Substitute aus
- der Benzinpreis steigt.
Die Verbundproduktion der verschiedenen Erdöl-Derivate kommt durcheinander. Das
erhöht die Kosten pro Liter.
Der Rhein führt Hochwasser
- der Benzinpreis steigt.
Die Versorgungslage wird prekär. Vorsorgebestellungen erhöhen die Nachfrage und
damit logischerweise den Marktpreis.
Der Rhein führt Niedrigwasser
- der Benzinpreis steigt.
Die Schiffe können nur zu einem Drittel ihrer Kapazität beladen werden. Die dadurch
erhöhte Fracht pro Tonne Ladegut verteuert die Ware.
Der Rhein führt Normalwasser
- der Benzinpreis steigt.
Kaum 25% des eingeführten Benzins erreichen die Schweiz auf dem Wasserweg. Für
die Kalkulation spielt daher die Situation auf dem Rhein eine geringe Rolle.
Der Dollarkurs steigt
- der Benzinpreis steigt.
Alle Erdöl-Kontakte werden in Dollar abgerechnet. Die Konsequenzen für den Preis
in Schweizer Franken liegen auf der Hand. In einer freien Marktwirtschaft wirken
sich alle Änderungen sehr schnell aus.
Der Dollarkurs sinkt
- der Benzinpreis steigt.
Längst nicht alle Abschlüsse auf dem für die Schweiz maßgebenden Spotmarkt in
Rotterdam werden in Dollar abgewickelt. Im übrigen dauert es immer eine gewisse
Zeit, bis sich Änderungen beim Verbraucher auswirken.
Die Lager sind randvoll
- der Benzinpreis steigt.
Große Lagerbestände drücken auf die Gewinnmarge. Die Filialen der großen Erdölkonzerne
leisten freiwillig einen unschätzbaren Beitrag zur Landesversorgung in Notzeiten.
In einer freien Marktwirtschaft ist es nur natürlich, dass sich die Konsumenten
an den hohen Kosten dafür beteiligen.
Die Lager sind leer
- der Benzinpreis steigt.
Die hohen Lagerverluste wurden bisher stets von den Erdölgesellschaften zu Lasten
ihrer Erfolgsrechnung getragen. Das ist nicht mehr länger möglich.
Der durchschnittliche Reingewinn der großen Erdölkonzerne ist gegenüber dem Vorjahr
um 380% gestiegen
- der Benzinpreis steigt.
Die Zahlen ergeben ein unvollständiges Bild. Im Benzingeschäft allein sieht die
Lage schlecht aus. Vereinzelt entstanden sogar Verluste, die von den anderen
Abteilungen getragen werden mussten.
Der durchschnittliche Reingewinn der großen Erdölkonzerne ist gegenüber dem Vorjahr
kaum gestiegen
- der Benzinpreis steigt.
In einer freien Marktwirtschaft kann ein Produzent nur mit einer angemessenen
Umsatz-Marge existieren.
Ein OPEC-Mitglied stoppt infolge innerer Unruhen sämtliche Exporte
- der Benzinpreis steigt.
Das Angebot auf dem Weltmarkt hat sich verringert. Die Preise reagieren entsprechend.
Ein OPEC-Mitglied nimmt seine Ausfuhren wieder auf
- der Benzinpreis steigt.
Die seither eingetretene Inflation wurde entgegen den Gesetzen einer freien
Marktwirtschaft von den Konzernen aufgefangen. Das kann nicht ewig so weitergehen.
Neue Erdölvorkommen werden entdeckt
- der Benzinpreis steigt.
Es gibt viel zu tun, packen wir's an. Um die Versorgung in der Zukunft zu sichern,
müssen heute gewaltige Investitionen getätigt werden. Die Prokuktionskosten werden
ständig höher.
Bisherige ergiebige Ölfelder erschöpfen sich
- der Benzinpreis steigt.
Es wird immer schwieriger und teurer, der unverminderten Welt-Nachfrage nach Öl
gerecht zu werden.
Zwei Erdölkonzerne fusionieren
- der Benzinpreis steigt.
Der Zusammenschluss ist ein Signal dafür, dass bei den gegenwärtigen Preisen das
Überleben einzelner Gesellschaften nicht mehr gewährleistet ist.
Zwei Erdölkonzerne fusionieren nicht
- der Benzinpreis steigt.
Der von den staatlichen Aufsichtsstellen abgelehnte Zusammenschluss verhindert
beträchtliche Rationalisierungs-Vorteile. Die Konsequenzen hat der Konsument
zu tragen.